Die Glaswand in der Apotheke
In der Zeitschrift "Pharmazeutsche Praxis" von 1960 sind wir auf einen interessanten Artikel gestossen. Er stammt von Apotheker Ulrich Haenisch, welcher damals die Adler-Apotheke Bad Schandau leitete. Die Aktualität ist verblüffend. Wir danken Herrn Kurt Haenisch aus Bad Schandau, der uns darauf aufmerksam gemacht hat.

Die Glaswand in der Apotheke

Im September 1959 hatte ich anläßlich der Tagung der tschechischen medizinischen Purkyne-Gesellschaft, Sektion Pharmazie in Karlsbad, Gelegenheit, mir tschechische Apotheken anzusehen. Als besonders hervorstechend bei der Einrichtung fiel mir dort die gläserne Trennwand auf dem Handverkaufstisch auf, die Patienten vom Handverkäufer trennt.

Was mir an manchen tschechischen Apotheken, die eine Glaswand besitzen, nicht gefiel, war die Tatsache, daß die Glaswände, besonders bei den älteren Apotheken, aus undurchsichtigem Glas bestehen. Nur das Stück vor dem Handverkäufer ist mit einer normalen Scheibe verglast. Die Offizin macht dadurch einen kahlen und nüchternen Eindruck wie eben "Schalterräume" wirken. Oft paßt sich die nachträglich eingezogene Glaswand auch sehr wenig der übrigen Apothekeneinrichtung an. Angenehm überrascht wurde ich durch die modern eingerichtete Apotheke in Karlsbad, bei der das Problem "Glas-wand“ recht gut gelöst war (vergleiche Pharmaz. Praxis 1960, 18, Abbildung 3).

Die Diskussion mit den tschechischen Kollegen überzeugte mich von der Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung. In Zeiten erhöhter Infektionsgefahr bedeutet die trennende Glaswand für die im Handverkauf tätigen Kollegen einen gewissen Schutz; denn sie sind nicht so der Tröpfcheninfektion ausgesetzt. An Hand von Statistiken wurde mir nachgewiesen, daß in Apotheken, die eine Glaswand besitzen, etwa 30°/o weniger Ausfälle wegen grippaler Infekte und Erkältungskrankheiten festgestellt wurden als in anderen Apotheken.

Als die von mir geleitete Apotheke 1959 eine neue Holzeinrichtung für die Offizin erhielt, ließ ich, angeregt durch die schöne und zweckmäßige Ausführung der Glaswand in der Karlsbader Apotheke, bei uns eine ähnliche Trennwand einziehen. 

Wir dürften damit die erste öffentliche deutsche Apotheke sein, die aus hygienischen Gründen und damit aus Gründen des Arbeitsschutzes eine Glaswand eingebaut hat.

Natürlich paßte ich die Ausführung der Glaswand dem Stil der Holzeinrichtung an. Wir haben sie vom Handverkaufstisch aus 90 cm hochgezogen und aus normalem, gehärtetem Dickglas anfertigen lassen. Diese Scheiben stehen in Metallschienen, die mit blauem Hammerschlaglack überzogen sind. Die Scheiben sind oben abgerundet. In der Mitte sind sie durch eine schräggestellte Sprechscheibe unterbrochen. Rechts und links neben der Kasse befindet sich eine Durchgabeöffnung für Arzneimittel. Die Scheibe vor der Kasse ist im ganzen gearbeitet. Die so gegliederte Glaswand behindert in keiner Weise weder die Sicht noch die Verständigung. Sie bietet uns Schutz gegen Zugluft und Infektion vom Publikumsraum her.

Sehr viele Patienten fanden die Glaswand gleich von Anfang an sehr zweckmäßig, andere, besonders die traditionsgebundenen, nachdem sie über Sinn und Zweck aufgeklärt wurden.

Die im Handverkauf tätigen Kollegen empfinden es als sehr angenehm, von dem Kranken getrennt zu sein ohne Arbeitsbehinderung.

Zusammenfassend kann man feststellen, daß unsere Glaswand einen gelungenen Versuch darstellt, den in Apotheken arbeitenden Kollegen einrichtungsmäßig den größtmöglichen Schutz während des Betriebes vor Infektion zu bieten, ohne die Eigenart der deutschen Apotheke dabei aufs Spiel zu setzen.

Apotheker U. Haenisch, Bad Schandau, Ernst-Thälmann-Straße 2

in Pharmazeutische Praxis Jahrgang 15. 1960. Nr. 12, S. 272; Berlin 1960. VEB Verlag Volk und Gesundheit

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